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Die (un-)freie Wahl

Rezension Marcus Schmidt

Wenn Millionen von Nutzerdaten auf Millionen von US-Dollar und psychologische Wahlkampf­führung treffen, leidet am Ende die Demokratie. Eine Netflix-Doku und das Buch einer Insiderin haben den Skandal rund um Cambridge Analytica aufbereitet.

Wer vor der US-Wahl 2016 einen vorgeschlagenen Persönlichkeitstest auf Facebook unternahm, hielt das vermutlich für harmlosen Zeitvertreib. Die dort gestellten Fragen dienten jedoch dazu, potenzielle Wähler*innen in Gruppen einzuteilen und gleichzeitig ihre Daten und die ihrer unwissenden Bekannten an Cambridge Analytica zu übermitteln – jene auf komplexe Datenanalyse spezialisierte Firma, die für immense Geldbeträge das scheinbar Unmögliche versprach: politische Kampagnen zugunsten ihrer Kunden zu entscheiden. Landete eine Person beim Test also in der Gruppe der „Überzeugbaren“, erhielt sie speziell auf ihren Persönlichkeitstyp zugeschnittene (Fake-)News, die sie endgültig vom gewünschten politischen Lager überzeugen sollte – und dies oft wohl auch tat.

Machen Sie sich selbst ein Bild!

„The Great Hack“ (2019) ist ein Dokumentarfilm und läuft auf Netflix. Das Buch „Die Datendiktatur. Wie Wahlen manipuliert werden“ der ehemaligen ­Mitarbeiterin von Cambridge Analytica, Brittany Kaiser, ist 2020 bei HarperCollins erschienen.

Wie dieser Skandal ans Licht kam, zeigt die Netflix-Dokumentation „The Great Hack“. Sie folgt dem Medien-­Professor David Carroll, der 2018 juristisch die Herausgabe der von ihm vorhandenen Daten von Cambridge Analytica fordert, der Journalistin Carole Cadwalladr, die das Netz aus Facebook, Cambridge Analytica und den Trump- und Brexit-­Kampagnen unermüdlich aufdröselt, sowie Brittany Kaiser, ehemalige Obama-Kampagnen-Mitarbeiterin und bald Whistleblowerin zu Praktiken von Cambridge Analytica. Letztere hat selbst ein spannend zu lesendes Buch aus ihrer Perspektive geschrieben (siehe links), das die Hintergründe und andere „Engagements“ von Cambridge Analytica, zum Beispiel in Kenia und Nigeria, tiefgründig skizziert.

Gewohnt bildgewaltig gedreht lebt die Netflix-Doku einerseits von den starken Persönlichkeiten, die auf beiden Seiten des Skandals zu Wort kommen. Zum anderen gibt es immer wieder überraschende Momente, in denen einem bewusst wird, welche hochrangigen Personen, darunter zum Beispiel Nigel Farage oder Steve Bannon, ebenfalls in dieses undurchsichtige Netz verwickelt waren. Über alledem schwebt David Carrolls klare Ansage an die Datensammler, anwendbar auf abertausende Tech-Firmen weltweit: Welche Daten habt ihr über mich? Und wenn wir schon dabei sind: Ich hätte sie gern zurück.