Maschinen wie wir

INTERVIEW Tami Kelling

Arbeiten wir bald Seite an Seite mit humanoiden Robotern? Ulrich Baldauf testet am Hamburger Hafen bereits einen Roboterhund, der die Belegschaft bei der Inspektion einer Brücke unterstützt. Verena Nitsch, Professorin für Arbeitswissenschaft, sieht aktuell mehr Einsatzgebiete für Maschinen ohne menschliche Züge.

Maschinen, die aussehen wie wir und uns die Arbeit abnehmen – Frau Nitsch, wieso lassen wir uns bei der Entwicklung von Robotern vom Menschen inspirieren?

VERENA NITSCH Eigentlich tun wir das nur in wenigen Fällen. Die meisten Roboter, die in der Arbeitswelt eingesetzt werden, sehen überhaupt nicht aus wie wir – und das ist ja auch logisch: Erste Anzeichen des Menschen werden auf sieben Millionen Jahre zurückdatiert, den modernen Menschen gibt es seit circa 700.000 Jahren – Roboter werden in der Arbeit noch nicht einmal 70 Jahre eingesetzt. Der Mensch hat eine lange Evolution hinter sich und ist perfekt angepasst an seine Umgebung, zum Beispiel mit dem aufrechten Gang. Wer einen Roboter mit zwei Beinen bauen will, stellt schnell fest, dass alles sehr instabil ist und komisch aussieht. Effizienter, robuster und zuverlässiger wären zum Beispiel Reifen. Aus mechanischer Sicht ergibt es keinen Sinn, humanoide Roboter zu bauen, aus sozialer jedoch sehr wohl. Bei Arbeitstätigkeiten, wo es um Interaktionen mit Menschen geht, ist ein menschenähnlicher Roboter oder Avatar auf jeden Fall sinnvoll.

Humanoide Roboter bauen wir also eher für unser Wohlbefinden. In welchen Fällen sollten wir denn Roboter einsetzen, um uns das Leben zu erleichtern?

VN Wir sagen eigentlich immer: dull, dirty and dangerous. Also wenn etwas langweilig ist, dreckig oder unangenehm. Und natürlich bei gefährlichen Arbeiten.

So wie die Arbeit in der Köhlbrandbrücke am Hamburger Hafen. Herr Baldauf, Sie haben auch schon einen nicht menschlichen Kollegen, allerdings handelt es sich hierbei um einen Vierbeiner.

ULRICH BALDAUF Genau, Spot ist ein hundeähnlicher Roboter und soll uns bei der Bauwerksprüfung unterstützen. Unter der Köhlbrandbrücke ist ein riesiger Hohlraum. Und da müssen Kolleg*innen durchgehen und das Bauwerk zum Beispiel auf Risse untersuchen. Es ist dunkel und laut, also keine schöne Arbeitsumgebung. Der Roboter Spot kann hier eine Vorinspektion machen und auf die Stellen hindeuten, die sich die Kolleg*innen dann genauer angucken. Ein Vierbeiner eignet sich dafür am besten, denn er ist stabiler als ein Zweibeiner. Spot kann auf Straßen laufen, Treppen steigen, durch Löcher klettern – er ist sehr flexibel.

Was gibt es zu bedenken, wenn man Roboter dort einsetzt, wo sonst Menschen arbeiten?

VN Aktuell ist es so: Wir schauen uns Tätigkeiten an, die ein Mensch macht, und fragen uns: Könnte das eine Maschine schneller machen? Oder mit weniger Fehlern? Arbeitsabläufe werden umgestellt mit dem Ziel, dass die Maschine optimal arbeitet. Eigentlich sollten wir uns aber fragen: Wie soll Technologie funktionieren, damit der Mensch bei seiner Arbeit bestmöglich unterstützt wird? Und da ein Umdenken durchzusetzen, vor allem bei Unternehmen, ist wirklich schwierig – auch weil Roboter berechenbarer sind. Es ist leicht zu beziffern, was für Kosten durch eine Maschine entstehen. Was man schwer ausrechnen kann, ist der wirtschaftliche Nutzen, der entsteht, wenn man die Technologie zum Wohle der Menschen einsetzt.

Wie lief das bei der Einführung von Spot, Herr Baldauf?

UB Ich arbeite sehr eng mit den Menschen zusammen, die für die Köhlbrandbrücke zuständig sind. Und die sagen: Mega, dass wir diesen Roboter haben und nicht mehr selber durchlaufen müssen. Einfach, weil es keine angenehme Arbeit ist. Dazu kommt der Fachkräftemangel. Wir haben schlichtweg nicht mehr genug Menschen, die unsere ganzen Infrastrukturen inspizieren und instand halten können. Unsere Vision ist es, für alle Infrastrukturtätigkeiten, bei denen ein Einsatz von Robotern sinnvoll ist, diese auch einzusetzen, zum Beispiel auch Wasserdrohnen, die Taucher*innen assistieren. Und ein Credo von uns ist ganz klar, dass wir aus der Abteilung Forschung und Entwicklung alle Projekte mit unseren Fachbereichen zusammen machen, damit wir nicht an deren Bedarfen vorbeientwickeln.

VN Fachkräftemangel haben wir überall. Die Unternehmen haben zu wenig Mitarbeitende, deshalb möchten sie noch mehr automatisieren – anders lässt sich die Arbeit oft gar nicht bewältigen. In diesem Prozess kommt es häufig auch zu Entlassungen. Auf der anderen Seite hat man viele neue Tätigkeiten, wo Menschen mit der richtigen Ausbildung fehlen. Unternehmen müssen jetzt stärker denn je in Weiterbildung investieren und schauen, dass sie die Leute mitnehmen in dem Wandel, der uns bevorsteht.

„Wenn wir wollen, dass eine Gesellschaft eine positive Einstellung zu humanoiden Robotern hat, müssen wir sie so entwickeln, dass sie einen Nutzen für den Menschen stiften.“
Verena Nitsch

Verena Nitsch

Bei diversen Veranstaltungen am Institut für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen unterstützt der Roboter Pepper Verena Nitsch bei der Unterhaltung der Gäste. Dass wir bald Seite an Seite mit humanoiden Robotern arbeiten werden, hält die Institutsleiterin und Professorin aber eher für unwahrscheinlich.

„Mein Kollege, der Roboter – so stelle ich mir die Zukunft vor. Eine Art Miteinander. So wie ich jetzt ein Smartphone oder auch einen Hammer nutze, nutze ich Roboter.“
Ulrich Baldauf

Ulrich Baldauf

Als Leiter des Bereichs Forschung & Entwicklung bei der Hamburger Port Authority (HPA), ist Ulrich Baldauf immer auf der Suche nach neuen Technologien, die die HPA und ihre Mitarbeitenden in die Zukunft führen.

Apropos Wandel: Wie sieht die Zukunft mit humanoiden Robotern aus?

UB Mein Kollege, der Roboter – so stelle ich es mir vor. Eine Art Miteinander. So wie ich jetzt ein Smartphone oder auch einen Hammer nutze, nutze ich Roboter. Ganz normal eben.

VN Genau. Ich halte es für unrealistisch, dass da lauter humanoide Roboter rumlaufen. Weil Roboter, die aussehen wie wir, eben auch limitiert sind wie Menschen. Mit zwei Armen und zwei Beinen können sie nicht viel machen. Ich halte es für realistischer, dass es ganz viele unterschiedliche Roboter geben wird, die sehr spezialisiert sind und bestimmte Aufgaben auch besser machen als wir.

Ist das etwas, was uns schon in naher Zukunft erwartet?

VN Da bin ich skeptisch. Weil ich jetzt seit 15 Jahren in dem Feld arbeite und da nicht so viel Bewegung beobachte. Vor allem sehe ich ganz große Herausforderungen, die noch zu bewältigen sind. Also, dass humanoide Roboter Dinge greifen, laufen, mit Situationen umgehen, die nicht vorherzusehen waren. Bei physischen Robotern sehen wir gerade keine großen Sprünge, einfach weil es kompliziert wird, wenn Maschinen mit ihrer physischen Umwelt interagieren müssen.

Die Angst, dass humanoide Roboter uns in Kürze die Arbeitsplätze nehmen, ist also unberechtigt?

UB Definitiv. Ich habe mich früher mit IT-Innovationen beschäftigt und die Frage erinnert mich an das Aufkommen der Touchgeräte. Auch damals kam die Skepsis auf: Oh, wird mein Job wegrationalisiert? Und jetzt sind diese Bedenken doch komplett weg. Die Menschen freuen sich über die Technologie und können mehr erledigen. Deswegen finde ich es immer gut, wenn wir gemeinsam neue Technologien ausprobieren.

VN Die Angst, dass Maschinen uns Menschen die Arbeit wegnehmen, gab es schon lange vor den Robotern. Denken wir nur an die Maschinenstürmer-Aufstände! Immer wieder, wenn Technologien eingeführt werden, die Tätigkeiten übernehmen, gibt es diese Ängste. Bisher ist es aber nicht eingetreten, weil Automatisierung auch die Produktivität von Unternehmen steigert. Dinge gehen dann schneller und effizienter, es wird mehr Gewinn erwirtschaftet, mehr investiert und mit Investitionen entstehen neue Arbeitsplätze. Nichtsdestotrotz: Wenn wir wollen, dass eine Gesellschaft eine positive Einstellung zu Robotern hat, müssen wir sie so entwickeln, dass sie einen Nutzen für den Menschen stiften. Vor allem müssen wir als Gesellschaft viel diskutieren, was die ethische, die technologische und auch die rechtliche Ebene betrifft. Und das gilt insbesondere für humanoide Roboter.