Unsere Welt 
aus weiter Ferne

INTERVIEW Rika Baack

Menschen sammeln Daten über alle Bereiche des Lebens, überall auf der Welt. Zunehmend sogar außerhalb der Erde: Godela Roßner arbeitet seit 20 Jahren im Bereich der Erdbeobachtung. Im Interview erzählt sie, was Satellitendaten besonders macht – und wieso sie heute noch so viel Faszination wie am ersten Tag empfindet.

Frau Roßner, wie groß ist denn das Interesse an Satellitendaten?

godela Roßner  Das ist sehr, sehr groß. Heute haben wir in Europa mit dem Copernicus-System ein umfassendes Umweltmonitoring der Erde aufgebaut. Damit können wir nicht nur die Vegetation und die Landoberfläche, sondern auch die Atmosphäre, das Klima, die Eiskappen und die Ozeane in verschiedensten Aspekten erfassen. Das Interesse an all diesen Daten wächst in Deutschland zunehmend. Allein auf unserer nationalen Erdbeobachtungsplattform CODE-DE hatten wir im letzten Jahr eine Steigerung an Nutzenden um 23 Prozent. Und das ist nicht nur bei uns so, sondern auch weltweit. So gibt es im Copernicus Data Space Ecosystem, der zentralen Datenplattform des Copernicus Programms mehr als 170.000 registrierte Nutzerinnen und Nutzer. Das liegt daran, dass der Informationsgehalt der Daten immer interessanter wird, gerade mit den Zeitreihen, die entstehen, und der Informationstiefe.

Wer hat denn Zugriff auf die Daten?

Schon bevor die ersten Satelliten gestartet sind, war festgelegt worden, dass die Datenpolitik eine freie und offene ist. Das heißt, die Daten werden für jede und jeden zur Verfügung gestellt, sobald sie aufgenommen und die nötige Vorprozessierung erfahren haben. Über unsere nationale Copernicus-Datenplattform CODE-DE hat man Zugriff auf das komplette Datenangebot und kann dort direkt mit den Daten arbeiten. Allein die Vielfalt der Daten zeigt aber schon, dass das eine komplexe Sache sein kann. Deshalb gibt es Fachleute, die in der Aufbereitung helfen.

Über den Zugang zu Daten, die hier auf der Erde gesammelt werden, wird ja schon viel diskutiert. Gibt es eine Art Datenschutz auch im All?

Die Frage ist, ob diese Daten mögli­cher­­weise irgendwelche Persönlich­keits­rechte berühren. Es gibt also eigentlich nur eine Beschränkung bei sehr hochauflösenden Daten. Die entstehen zum einen durch kommerzielle Systeme. Wenn sie wirklich sehr hochauflösend sind, dann sind das aber Systeme, die für den militärischen Bedarf geschaffen sind. In Deutschland haben wir zudem ein Satellitendatensicherheitsgesetz, das sicherstellt, dass solche Daten nicht in die falschen Hände kommen. Bei den Copernicus-Daten ist das nicht der Fall. Deswegen können auf sie wirklich alle zugreifen – auch Bürger­innen und Bürger sowie Schulen.

Was macht solche Daten interessant für Schulen?

Viele junge Menschen haben ein großes Interesse an der Erdbeobachtung, weil es faszinierend ist, zu sehen, wie weit wir unser Erdsystem schon beobachten können und wie uns das hilft, unser Leben auf dem Planeten nachhaltiger zu gestalten. Das ist ja auch der Ausgangspunkt des Projekts Climate Data Entrepreneurial Club. Das finde ich eine ganz tolle Sache, dass Jugendliche herangeführt werden an die Informationen, die wir in den Daten haben. Wie sehen Klimadaten in meiner eigenen Region aus und wie kann ich mit den Informationen arbeiten? Wie kann ich ganz konkret nachhaltige Ansätze umsetzen?

Wo könnten Satellitendaten noch mehr eingesetzt werden?

Großes Potenzial sehe ich eben bei dem Aspekt Nachhaltigkeit. Mit der Erdbeobachtung hat man sehr gute Möglichkeiten, die Ressourcennutzung und -gewinnung zu betrachten. Sind Anlagen zur Rohstoffgewinnung überhaupt angemeldet? Ist das ein illegaler Bergbau, aus dem Rohstoffe kommen, die in Europa abgesetzt werden? Oder werden Urwälder gerodet für neue Produktionsflächen? Solche Fragestellungen werden immer wichtiger, auch im Zusammenhang mit europäischer und nationaler Gesetzgebung im Sinne einer nachhaltigen globalen Wirtschaft. Bestimmte Daten können jetzt auch genutzt werden, um abzu­schätzen, wie verschmutzt Solarzellenflächen sind. Das kann natürlich sehr entscheidend sein, wenn dabei erhebliche Energieverluste entstehen. Als mir das gezeigt wurde, war ich mal wieder total beeindruckt von den vielfältigen Möglichkeiten der Erdbeobachtung. Und die sind noch bei Weitem nicht ausgeschöpft.

Godela Roßner

ist seit ­November 2022 Leiterin der Abteilung Erdbeobachtung der Deutschen Raumfahrtagentur. Sie arbeitet seit über 20 Jahren im Bereich der Erdbeobachtung und ist seit 2005 bei der Deutschen Raumfahrtagentur. Vor ihrer jetzigen Position war sie für das Programm Anwendungsentwicklung und Datennutzung verantwortlich.

„Gerade die Erdbeobachtung wird genutzt, um Nachhaltigkeit auf der Erde sicherstellen zu können. Deshalb ist mein Wunsch, dass man auch die Methode, die man einsetzt, so nachhaltig und sicher wie möglich gestaltet.”
Godela Roßner

Das hört sich dennoch schon nach riesigen Datenmengen an. Wie gehen Sie mit diesen um?

Tatsächlich sind es etwa 20 Terabyte jeden Tag, die allein im Copernicus Programm zur Verfügung gestellt werden. So sind seit dem Start des ersten Satelliten vor zehn Jahren über 77 Petabyte zusammengekommen und es werden in Zukunft noch deutlich mehr werden. Dazu kommen noch die Daten der anderen öffentlichen und privaten Datenprovider. Solche Daten und damit die Big-Data-Analyse sind auch aus Sicht der Informatik spannend – etwa die Herausforderungen, die damit zusammenhängen, KI-Verfahren zu entwickeln und Modelle zu bilden. In den Forschungseinrichtungen und Unternehmen suchen sie immer mehr nach Expertise aus der Informatik, um das effiziente Data Handling umsetzen zu können. Es ist ganz aufregend, wie Informatik und Erdbeobachtung jetzt stärker zusammenwachsen durch diese Datenmengen.

Wie stehen Sie zu privaten Unternehmen wie Starlink, die jetzt auch Satelliten ins Weltall schicken?

Es gibt immer stärker kommerzielles Engagement, um in verschiedensten Bereichen Satelliten ins All zu bringen: Das wird „New Space“ genannt. Starlink ist auf Kommunikation und Internetversorgung ausgerichtet. Ich habe durchaus schon Menschen kennengelernt, die es zum Beispiel genutzt haben, wenn sie in sehr entlegenen Gebieten waren. Da sieht man, dass es tatsächlich eine Lücke gibt, die mit solchem Engagement geschlossen werden kann. Es gibt auch in der Erdbeobachtung solche „New Space“-Firmen, die große Satellitenkonstellationen ins All bringen. Das ist grundsätzlich eine gute Entwicklung, denke ich. Gleichzeitig wäre es gut, wenn es grundsätzlich eine noch bessere Regulierung gäbe für Engagement im Weltall. Denn auch das ist am Ende eine begrenzte Ressource.

Inwiefern?

Man fragt sich natürlich, ob diese ganzen Satelliten im All sich nicht in die Quere kommen. Im Moment tun sie das nicht, aber es gibt ein zunehmendes Problem mit Weltraumschrott, also Teilen von ehemaligen Satelliten oder Raketen, die um die Erde kreisen. Daher gibt es auf UN-Ebene eine Vereinbarung, dass man Satelliten nur ins All schießt, wenn sichergestellt ist, dass sie aus dem Orbit auch wieder rückstandslos entfernt werden können. Gerade die Erdbeobachtung wird genutzt, um Nachhaltigkeit auf der Erde sicherstellen zu können. Deshalb ist mein Wunsch, dass man auch die Methode, die man einsetzt, so nachhaltig und sicher wie möglich gestaltet.

Gibt es sonst noch etwas, das Sie sich für die Zukunft der Erdbe­obachtung wünschen?

Ein großer Wunsch wäre, dass noch mehr Menschen das Potenzial der Erdbeobachtung sehen. Auch in der Allgemeinheit als generelle Infor­mationsquelle: Ich sage immer, dass die, die sich mit Erdbeobachtung befassen, gar nicht anders können, als zu verstehen, dass es den Klima­wandel gibt und in welcher Dimension der sich schon auswirkt. Wenn es um einen neuen Astronauten im All geht, gibt es darüber immer die ganz großen Schlagzeilen. Wir finden es aber auch wahnsinnig faszinierend, wenn wir mit Erdbeobachtungen messen können, wie viel Gletscherschmelze auf Grönland stattfindet. Wenn das mehr als 200 Tonnen pro Jahr sind an Wasser, die da schmelzen – das verdient eigentlich auch eine große Schlagzeile. Das sollte keinen kaltlassen. 

Der Climate Data ­Entrepreneurial Club

ermöglicht Jugendlichen den Zugang zu Klimadaten aus europäischen und deutschen Satellitenmissionen wie dem Erdbeobachtungsprogramm Copernicus. Expert*innen aus den Bereichen der Informatik, Erdbeobachtung und Pädagogik unterstützen die Jugendlichen dabei.

cdec.io