Zu realistisch,
um Zukunft zu sein?

REZENSION Nadine Winter

Neue Erkenntnisse in der Mikrobiologie, ein Cyberverse für Kranke und computergesteuerte Chips im Kopf: Die vierte Staffel der bekannten ARD-Serie „Charité“ zeigt ein Zukunftsbild der Medizin, das aus informatischer Perspektive etwas zu wünschen übrig lässt.

Eigentlich geht es in „Charité“ um die Anfänge des renommierten Berliner Krankenhauses. Die neue Staffel springt jedoch in das Jahr 2049 und wagt einen Blick in die Zukunft der Charité und der Medizin, angepasst an die klimatischen Bedingungen und neuen technologischen Möglichkeiten. Zentrales Thema ist die Bekämpfung und Erforschung eines neuen Virus und eine sehr umstrittene Gesundheitsreform. Ein Scoring-System soll darüber entscheiden, ob die Krankenkasse die Kosten für eine Behandlung übernimmt oder nicht – je nachdem, wie gesund sich die Person ernährt.

 

Das Gesundheitssystem ist voll digitalisiert und vernetzt: Die elektronische Patientenakte ist ein fester Bestandteil. Das Smartphone ist Geschichte, telefoniert wird über winzige Kopfhörer im Ohr. Lähmungen können durch computergesteuerte Chips im Gehirn behandelt werden. Mit künstlicher Intelligenz können sich selbst Menschen, die im Koma liegen, in einem Cyberverse wieder bewegen. Und Operationen werden von lasergesteuerten Robotern durchgeführt.

Wer sich mit Informatik auskennt, wird an einigen Stellen jedoch enttäuscht sein: Datenschutz und IT-Sicherheit scheinen keine größere Rolle zu spielen: angefangen bei den QR-Codes ohne Informationen zur weiterführenden Website über das Scoring-System bis hin zur fehlenden IT-Sicherheit. So ist es nicht verwunderlich, dass ein Hackerangriff die ganze Charité lahmlegt. Futuristisch ist das nicht, denn schon heute warnen Fachleute, auch innerhalb der GI, vor Angriffen im Gesundheitswesen. Fiktion wird jedoch bleiben, dass bereits im Jahr 2049 wenige Stunden nach einem Hackerangriff das Krankenhaus wieder in den Regelbetrieb übergehen kann.

Beschämend ist der Blick auf das Scoring-System, das an ähnliche Maßnahmen im heutigen China erinnert. Auch in Deutschland haben bereits viele Krankenkassen Anreizsysteme implementiert, die zwar nicht ganz so dystopisch, aber durchaus zu beobachten sind.

Die neue Staffel mag vielleicht Informatiker*innen enttäuschen, für Medizin-Ethiker wirft sie viele Fragen auf, Feministinnen freuen sich über die queerfreundliche Politik und Klimawissenschaftler werden sagen: „Wir haben euch gewarnt“.