Drama ist
vorprogrammiert

TEXT Alexandra Resch

Im Theaterstück „Nessun Dorma“ stehen keine Menschen auf der Bühne. Stattdessen sorgen zwei Roboter für Herzschmerz, Kunst und viele Denkanstöße.

Das Konzept „boy meets girl“ ist so alt wie auserzählt. Zahlreiche Opern und Theaterstücke drehen sich um die Irrungen und Wirrungen solcher Handlungsstränge. Was aber passiert, wenn „robot meets robot“ auf die Bühne gebracht wird? Können Menschen sich in Maschinen ebenso hineinversetzen wie in Schauspieler*innen?

Dass das möglich ist, zeigt sich im Theater Magdeburg schon vor Beginn des Stücks „Nessun Dorma“, als die beiden Hauptdarsteller noch wie unbeobachtet ihren Tätigkeiten nachgehen. „Och, ist der süß!“, sagt ein junges Mädchen im Publikum über den kleinen selbst gebauten Reinigungsroboter Putzini, der etwas unbeholfen über die Bühne ruckelt und hier und da ein bisschen Konfetti einsaugt. Sein Gegenpart, Arka, ist ein Industrieroboter der Marke Kuka: ein ungewöhnlicher Anblick, so abseits der Fließbänder großer Fabriken. Er ist auf einer kreisrunden Plattform befestigt und bewegt seinen mehrgelenkigen Arm grazil über eine Leinwand, die er mit unterschiedlichen Farben bemalt.

„Die Programmierung von Arka war für mich die größte Herausforderung“, sagt Markus Schubert. Der Programmierer hat das Stück zusammen mit der Regisseurin Elsa-Sophie Jach, der Bühnenbildnerin Thea Hoffmann-Axthelm und dem Creative Engineer Sebastian Arndt entwickelt. „Anders als bei selbst gebauten Robotern gibt es für solche industriellen Maschinen keine Open-Source-Tools und keine große Community, die man mal kurz um Rat fragen kann. Alles ist proprietär und diese Roboter sind eigentlich darauf ausgelegt, dieselben Tätigkeiten immer wieder zu vollziehen“, sagt Schubert.

Genau das passiert aber nicht in „Nessun Dorma“. Im Laufe des Stücks interagieren die beiden Maschinen miteinander auf eine Art, die spontan und fast schon menschlich wirkt. Zu Beginn scharwenzelt der kleine Putzini um Arkas Plattform herum, beobachtet ihn mit seinem 3D-gedruckten Lampenauge und wendet dieses doch beschämt ab, sobald der Industrie-Arm von Arka in seine Richtung schwenkt. Über einen Beamer kann das Publikum die Gespräche verfolgen, die die beiden führen. Diese sind so pathetisch wie die Opernarien, die im Hintergrund laufen, wenn Arka malt. Die beiden reden über Liebe, Todessehnsucht, Inspiration. Einmal sprechen sie auch über die Latenz – also die Verzögerung, die ihnen beiden einprogrammiert wurde, um die Menschen mit der Geschwindigkeit ihrer Rechenleistung nicht zu beunruhigen. Als sich dann beide Roboter in Richtung Publikum wenden, fühlt man sich direkt ertappt.

Jeder dieser Momente ist Teil des Scripts, das im Hintergrund abläuft. „Wir haben das Systemdesign bewusst so angelegt, dass die Show automatisch aufgeführt wird“, sagt Markus Schubert. Über ein Kommunikationsprotokoll tauschen die beiden Darsteller Nachrichten aus. Putzini, der großteils über Python läuft, teilt so zum Beispiel seine aktuelle Position mit, damit sich Arka ihm zuwenden kann.

Und das Script geht auf: Das Publikum verfolgt mit Spannung, wie es zwischen den beiden erst funkt, dann knistert und schließlich kriselt – bis hin zum großen Finale, in dem die Liebesgeschichte ihr dramatisches Ende findet, entlangerzählt am Fortschrittsbalken eines Löschvorgangs. „Wir alle kennen Menschen, die ihren Autos Namen geben – oder über ihre Roombas sprechen, als wären sie Haustiere“, sagt Markus Schubert, „wir projizieren unsere Sehnsüchte in diese Objekte.“ Genau das soll „Nessun Dorma“ deutlich machen. Und das tut es auch.

Vorhang auf!

Das Stück „Nessun Dorma“ wird in dieser Saison noch einmal am Theater Magedeburg aufgeführt:
www.theater-magdeburg.de

Alle weiteren Termine werden auf der Website des Stücks veröffentlicht:
nessundorma.de