Output

Das Mysterium Anonymous

Rezension anonym

Anonymous – ein einziges Wort und schon hat man die weißen, lächelnden Masken im Kopf, zivilen Ungehorsam und natürlich: Hacking vom Feinsten. Aber wer oder was steckt eigentlich hinter diesem Namen? Eine Organisation, ein loser Zusammenschluss oder Einzelkämpfer*innen mit der gemeinsamen Mission eines freien Internets? Der Podcast Legion – Hacking Anonymous versucht in sechs Teilen, hinter die Masken zu blicken. Heraus kommt eine extrem kurzweilige Achterbahnfahrt von den wilden Anfängen des Internets zu seiner Politisierung und Kommerzialisierung.

In kampfeslustigen Drohvideos legten sie sich 2008 erst mit Scientology an, dann 2022 mit dem russischen Staat: Die berühmt-berüchtigten Anons, wie sich die Beteiligten des Hacktivismus-Kollektivs Anonymous nennen, zwangen schon Websites großer Konzerne wie Monsanto oder rechtsextremer Gruppierungen in die Knie. Das dabei vor nichts und niemanden zurückschreckende und wissende Grinsen der Maske ist – passenderweise – einem frühneuzeitlichen Attentäter aufs Englische Parlament entliehen. Damit ist sie ein Ersatz-Gesicht für Menschen, die ihr eigenes nicht zeigen wollen oder können. So lernen wir im Podcast etwa die Schweizer Hackerin maia kennen, der für ihre Aktionen im Netz 20 Jahre Haft in den USA drohen, oder Robert, der aus Verzweiflung über den Krieg in der Ukraine eine russische Hummerfarm durch eine schlecht gesicherte Überwachungskamera sabotierte. Neben diesen Einzelpersonen gab es in der Geschichte von Anonymous aber durchaus viele Gemeinschaftsaktionen, die sich beispielsweise gegen die Kontensperrung von WikiLeaks richteten oder den Arabischen Frühling unterstützten.

Neugierig?

Den Podcast Legion – Hacking Anonymous gibt es zum Beispiel in der ARD-Mediathek oder beim rbb.

Wo jedoch Aufmerksamkeit und Mystik sind, da geht es natürlich auch ums große Geld und so taucht ein geschäftstüchtiger Brite auf, der sich den Namen Anonymous unter den Nagel zu reißen versucht. Aus Wahrheitskampf wird Fake News. Damit zeigt der Podcast auf gelungene Weise die Komplexität, den Kontrast einer Bewegung, die niemandem gehört – und damit allen. Die gegen die Macht großer Konzerne vorgeht und die größte Aufmerksamkeit am Ende ausgerechnet durch einen davon erfährt: YouTube.

In Anonymous hat das Internet seinen Robin Hood gefunden – und wir unseren Glauben an den Widerstand gegen die Großen und das Versprechen von Freiheit. Hacking Anonymous lässt Beteiligte aus unterschiedlichsten Blickwinkeln zu Wort kommen und am Ende entscheiden die Hörer*innen selbst, ob und wie viel dran ist an diesem Mysterium. Auch nach dem Hören des insgesamt dreistündigen Podcasts, dessen Moderation dank Khesrau Bheroz sehr angenehm daherkommt, hallt der tiefe Einblick in die undurchsichtige Welt des Cyber-Aktivismus noch nach. Vieles kommt dem ziemlich nah, was man sich darunter vorstellt. Aber wahrscheinlich genauso oft … na ja, hört selbst rein.