Neuer Tiktok-Trend:
Verbieten

TEXT Luiza Brandão

Die USA behaupten, dass China mit Tiktok ihre Bürger*innen ausspioniert. Zeitgleich stehen amerikanische Plattformen wie die von Meta aus Datenschutzgründen unter großem Druck, besonders aus Europa. Was steckt hinter den Klagen gegen Tiktok? Sind wir auf dem Weg zu einem Internet mit Grenzen?

Ob Chips, Dienste oder Geräte: Seit Donald Trumps Amtszeit werden chinesische Technologien in den USA skeptisch gesehen. Amerikanische Behörden fürchten, dass die chinesische Regierung über diese Technologien Einfluss und Kontrolle ausüben könnte. Aktuell steht in der Debatte vor allem Tiktok im Rampenlicht. Die besonders bei Jugendlichen beliebte Plattform gehört dem Tech-Giganten ByteDance, dessen Hauptsitz sich in China befindet.

Die USA fürchten, dass China durch die Plattform Zugang zu amerikanischen Daten hat. Dies führte im März 2023 unter anderem zu einer öffentlichen Anhörung vor dem Kongress. Dabei beantwortete Shou Zi Chew, CEO von Tiktok, Fragen der Mitglieder des Parlaments. Dabei brachte er einen wichtigen Punkt in die Diskussion ein: Tiktok hat seinen Hauptsitz in San Francisco. Zudem funktioniert es ähnlich wie die gängigen Plattformen aus den USA, die ihren Dienst weltweit anbieten. Was ist also der Unterschied?

Im Zentrum der Debatte steht ganz klar die Frage: Haben chinesische Behörden durch Tiktok Zugriff auf ausländische Daten? Und könnte die chinesische Regierung sie nutzen, um politischen Einfluss auf andere Länder zu nehmen oder gar Spionage zu betreiben? Aktuell lässt sich hier nichts belegen. Shou Zi Chew wies vor dem Kongress alle Anklagen auf Spionage und Informationskontrolle aus China zurück. Dies wurde jedoch weder von demokratischer noch von republikanischer Seite akzeptiert. Grundsätzlich zeigt sich eine selten gesehene Einigkeit der beiden Parteien, was das bundesweite Verbot von Tiktok und anderen Firmen aus China angeht. Ob es tatsächlich dazu kommt, wird letztendlich eine Frage der Verhältnismäßigkeit sowie der damit verbundenen Auswirkungen auf Meinungs- und Redefreiheit sein.

Das Thema treibt aber nicht nur die USA um. Weltweit haben verschiedene Regierungen ähnliche Sorgen rund um Tiktok ausgedrückt. Obwohl die EU Datenplattformen regulieren will, statt sie zu verbieten, wurden unterschiedliche Vorsichtsmaßnahmen gegen Tiktok getroffen – auf EU-Ebene sowie von einigen Mitgliedstaaten. Ab Mai 2023 ist Tiktok in vielen Ländern auf Dienstgeräten im öffentlichen Sektor verboten: Beamte, Politiker*innen und andere Mitarbeitende von Behörden oder der Regierung müssen die App löschen oder dürfen sie erst gar nicht herunterladen

Auch wenn die Debatte gerade sehr präsent ist, sollten wir dabei eines nicht vergessen: Datenschutzsorgen und Spionageskandale, die eng mit persönlichen Daten zusammenhängen, sind nichts Neues. Zehn Jahre ist es her, dass der Skandal rund um Edward Snowden mehrere Anklagen gegen die amerikanische National Security Agency (NSA) nach sich zog. Nun finden sich die USA abermals in einer Diskussion um die Kontrolle, die eine Regierung über die Daten hat, die durch ihre Infrastruktur fließen.

Ein nicht zu verachtender Unterschied zu damals ist, dass es sich diesmal um eine ausländische Plattform handelt, die den US-Anbietern ernsthaft Konkurrenz macht. Die globalen Geschäftsmodelle von Facebook und Co. waren, mit ein paar Ausnahmen wie China oder Russland, weltweit erfolgreich. Nun dringen chinesische Plattformen auf den Markt und verzeichnen beträchtliche Gewinne. 2021 erreichte Tiktok drei Milliarden Downloads weltweit – es war das erste Mal, dass dies einer mobilen App gelang, die nicht von Facebook stammt.1

Und wir?

Wir als Gesellschaft sollten uns jedoch nicht nur fragen, wer unsere Daten wo sammelt und wohin sie fließen, sondern auch und vor allem, wie wir sie besser schützen. Denn die Geschichte hat uns eines gelehrt: Der Sitz eines Unternehmens ist kein Garant für die Sicherheit unserer Daten.

Ob als Schutz oder Politik, Ökonomie oder Ideologie, Konkurrenz oder Handeln: Die Sorgen und Reaktionen in der laufenden ­Debatte um Tiktok lassen eine andere, ­besorgniserregende Entwicklung erahnen. Denn das Verbot einer Plattform ist eine Extremmaßnahme, die weltweite Auswirkungen für viele Nutzer*innen hat. Sie ergibt sich aus einem Vertrauensmangel, der zu einer Art Isolationismus führen kann. Dieser kann große Veränderungen in Datenströmen weltweit sowie neue Grenzen von Information, Telekommunikation und Technologie mit sich bringen. Dann ist die Idee des grenzenlosen Internets in Gefahr.

Über die Autorin

Luiza Brandão ist ­Juristin. ­Aktuell forscht sie im ­Projekt „­Follow the Flow: ­Impacts of ­Regulation for Cross-border Data in ­Brazil and Germany“, mit dem Ziel, den disziplinären Dialog über Datenflüsse zu er­weitern. Das Projekt wird von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung ­finanziert und ist bei der ­Gesellschaft für Informatik angesiedelt.

Mehr über ihr Projekt:
Cross-border Data Flows