Ein Fossil
namens Floppy

TEXT Torsten Roeder

Die Diskette ist heute für viele nur noch ein abstraktes Symbol für „Speichern“. In seiner Hoch-Zeit war das Medium jedoch zentraler Träger von erstaunlich kreativen und vielseitigen Magazinen, die die frühe Begeisterung mit dem Heimcomputer widerspiegeln – eine Zeit, die für viele Jüngere kaum noch vorstellbar ist. Umso wichtiger ist es, diese „Diskmags“ zu erhalten. 

Als in den 70er-Jahren Personal Computer endlich kleiner und preiswerter wurden, begannen die Modelle von Herstellern wie Acorn, Amstrad, Apple, Atari, Commodore oder Sinclair sowohl Schreibtische als auch Wohnzimmer zu bevölkern. Diese Heimcomputer waren Multimediageräte, die nicht nur zum Spielen, sondern auch zum kreativen Programmieren einluden – und so eine kulturelle Dynamik entfachten und Szenen hervorbrachten, die teils bis heute bestehen.

In dieser Pionierzeit entstand eine große Zahl digitaler Computer­journale, die inzwischen in Vergessenheit geraten sind. Sie waren nicht auf Papier, sondern ausschließlich am Bildschirm lesbar und wurden auf den damals üblichen Floppy Disks verbreitet, was ihnen die Bezeichnung „Diskettenmagazin“ eintrug, kurz: Diskmag. Darin fanden sich beispielsweise Neuigkeiten aus der Computerwelt, Software-Rezensionen, Veranstaltungsberichte, Leserbriefe sowie Bastel- und Programmierkurse. Sie enthielten aber auch Grafiken, (Hintergrund-)Musik und vor allem Software. Auf diese Weise verbreiteten Diskmags nicht nur kommerzielle Produkte, sondern auch Community-Erzeugnisse, angefangen bei kleinen Spielen oder Anwendungen bis hin zu kunstvollen, multimedialen Demos, in denen enthusiastische Coder die Möglichkeiten der Geräte ausloteten, und trugen damit zur Identitätsbildung der jeweiligen Szenen bei.

Das erste auf Diskette herausgegebene Magazin war Softdisk (1981–1995) für den Apple II, das sich selbst als „Magazette“ bezeichnete. Davor und danach gab es aber auch Magazine, die auf Datenkassette erschienen, beispiels­weise Cursor (1978–1982) für den Commodore PET oder das vom Heise-­­­Verlag in Hannover herausgegebene Input 64 (1985–1988) für den C64.

Inhaltlich waren Diskmags für alles offen. Das Magazin Warp (1995–1996), das auf dem Atari ST erschien, widmete sich gänzlich dem Star-Trek-Universum und wartete mit einem faszinierenden Menü auf. Um auf die Inhalte zuzugreifen, steuerte man eine Figur über ein Kommandodeck und bediente verschiedene Konsolen, hinter denen sich jeweils eine Rubrik des ­Magazins befand.

Als die kommerziellen Diskmags im Verlauf der 90er-Jahre einge­stellt wurden, blieben einige community-­produzierte Magazine weiterhin aktiv – vor allem aus der Demoszene, die mittler­weile in mehreren Ländern zum immateriellen UNESCO-Kulturerbe gehört. Zu diesen Titeln zählt ­Digital Talk, das mit Unterbrechungen seit 1993 bis heute für den C64 erscheint. Auch nach der Jahr­tausend­wende erschienen für den „Cevi“ immer wieder neue Diskmags.

Diskmags gab es überall, wo Heimcomputer verbreitet waren. Das Magazin Optron (1997–2001) erschien in der Ukraine für den ZX Spectrum. Dieser ursprünglich britische Computer ließ sich selbst zusammenlöten und mit einem Prozessor betreiben, der in der DDR unlizenziert nachgebaut worden war und der sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs insbesondere in Osteuropa verbreitete.

Das goldene Zeitalter der Diskmags endete mit dem neuen Jahrtausend, als durch die Verbreitung von Breitband-Internetanschlüssen keine Datenträger mehr für die Übertragung von Bild und Ton benötigt wurden. Einige Titel migrierten ins World Wide Web und führten die Bezeichnung Diskmag weiter, andere wurden nunmehr als Disk Images verbreitet. Heute sind Diskmags für die Spiele- und Medienforschung als Quellenmaterial interessant, jedoch wurden sie weder durch Bibliotheken noch Archive systematisch gesammelt. Ein Projekt der Universität Würzburg widmet sich der Aufgabe der Katalogisierung und ermöglicht die Rückschau auf eine hochkreative, frühe digitale Ära.

Der „Diskmags Catalog“

ist der erste internationale und systemübergreifende Katalog zu Disketten­magazinen. ­Mittlerweile sind darin über 2.500 Titel erfasst. Der Katalog wird am Zentrum für Philologie und Digitalität der Universität Würzburg von Dr. Torsten Roeder betreut. Hinweise und Beiträge nimmt das Team gerne unter info@diskmags.de
ent­gegen.
diskmags.de